Published online by Cambridge University Press: 05 February 2009
Mit der Wahl von ϰρηματίζειν zur Umschreibung der Gen 6–7 an Noah ergangenen Gottesoffenbarung greift der Verfasser des Hebräerbriefs Hebr 11.7 einen Terminus auf, der in der Orakelsprache beheimatet ist und in diesem Sinne auch vom hellenistischen Judentum rezipiert wird. Dadurch soil die im AT noch unmittelbar vorgestellte Kommunikation zwischen Gott und Mensch in eine mittelbare, d.h. sich im Orakel oder im Traum ereignende, überführt werden. Bestätigung findet diese These einerseits in der Zeichnung Noahs als Mantiker innerhalb der früüdischen Literatur (Jub; Philo), andererseits in der Existenz eines Henochorakels am Ende der Welt, das neben anderen auch von Noah selbst (2 Hen65.1–12) befragt wird.
1 Vgl. Hebr 11.1: ‘Es ist der Glaube eine Befestigung dessen, worauf man hofft; (und) ein Beweis füir die Dinge, die man nicht sieht’ Die Übersetzung nach H.–F. Weiβ, Der Brief an die Hebräer (KEK13; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1991) 559.Google Scholar
2 Vgl. die Analyse bei Braun, H., An die Hebräer (HNT 14; Tübingen: Mohr, 1984) 350.Google Scholar
3 Daβ mit εύλαβηθείς schlecht die Furcht Noahs vor der Flutkatastrophe gemeint sein kann (wegen seines eingangs betonten Glaubens), ist unter den Auslegern kaum mehr umstritten. Meist übersetzt man das Verb dann mit ‘in frommer Scheu’ o.ä., vgl. nur Michel, O., Der Brief an die Hebräer (KEK 13; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 6. Aufl. 1966) 388Google Scholar; Braun, H., Hebr, 351Google Scholar; Weiβ, H.-F., Hebr, 580Google Scholar; Rose, C., Die Wolke der Zeugen. Eine exegetisch-traditions-geschichtliche Untersuchung zu Hebräer 10,32–12,3 (WUNT 2/60; Tübingen: Mohr, 1994) 192.Google Scholar Auf derselben Linie liegen die englischsprachigen Kommentare von Attridge, H. W., The Epistle to the Hebrews. A Commentary to the Epistle to the Hebrews (Hermeneia; Philadelphia: Fortress, 1989) 319Google Scholar (‘religious awe, reverence’), und Ellingworth, P., The Epistle to the Hebrews. A Commentary on the Greek Text (NIGTC; Grand Rapidsfrasl;Carlisle: Eerdmans, 1992), 578.Google Scholar Ganz unproblematisch ist diese Übersetzung indessen nicht, da das ntl Hapaxlegomenon εύλαβέομαι von Haus aus ‘sich in Acht 7nehmen; vorsichtig, bedächtig, behutsam sein od. Handeln’, dann auch ‘beachten, besorgt sein um etwas, Sorge tragen für etwas’ heiβt (Passow I/2 1235), und die von der Mehrzahl der Ausleger in Anspruch genommene Bedeutung ‘fromme Scheu haben’ zumindest klassisch ein Akkusativobjekt verlangt (Plat. Leg. 9.879e: τòν ξενιĸòν αὖ θεòν εύλαβούμενοι ‘mit aller gebüihrenden Scheu vor dem Gott, der die Fremden schützt’). Darüber hinaus bedingt die ‘fromme Scheu’ im Verein mit dem πίστει zwangsläufig eine gewisse semantische Redundanz: ‘im Glauben … baute Noah in frommer Scheu …’. Die Alternativen bei Lane, W. L., Hebrews 9–13 (Word Biblical Commentary 47a; Dallas, 1991) 338Google Scholar (‘he paid attention [to the divine instruction]’), und im Münchener NT (‘Fürsorge treffend’) sind deshalb ernsthaft in Erwägung zu ziehen.
4 Vgl. Schröger, F., Der Verfasser des Hebräerbriefs als Schriftausleger (BU 4; Regensburg: Pustet, 1968) 214–15Google Scholar; Rose, C., Wolke, 192–3.Google Scholar
5 Das dürfte insbesondere für das Motiv von der Verurteilung der Welt V. 7d gelten, das wahrscheinlich auf die Beauftragung Noahs zum Umkehrprediger (vgl. 2 Petr 2.5: ĸῆρυξ διĸαιοσύνης) abhebt (mit Attridge, H. W., Hebr, 319Google Scholar; Ellingworth, zurückhaltender P., Hebr, 579)Google Scholar. Am breitesten ist diese Tradition in Sib 1. 125–209 bezeugt, wo Noah von Gott Sib 1.129 den Auftrag zur Buβpredigt erhält und diesen 1.150–70 auch in die Tat umsetzt, dafür aber nur Verachtung und Spott erntet (1.171–3). Dadurch richtet sich das ‘gesetzlose Geschlecht’ praktisch selbst (vgl. 1.199–209). Wie breit die Noahtradition in der zwischen– und neutestamentlichen Literatur gestreut ist, mag folgende, keineswegs vollständige Liste von Belegen verdeutlichen: Sir 44.7; Weish 10.4; Jub 5–10; IQGenAp 2–15; Philo, Vit. Mos. 2. 59–65Google Scholar; Lk 17.16–7 par Mt 24.37–9; 1 Petr 3.20–1; 2 Petr 2.5.
6 Vorausgesetzt ist dabei zunächst, daβ das περì τῶν μηδέπω βλεπομένων grammatisch auf ϰρηματισθείς und nicht auf εύλαβηθείς zu beziehen ist, also den Inhalt der mit ϰρηματίζεινausgedrückten Offenbarung wiedergibt, vgl. Windisch, H., Hebr, 101Google Scholar; Ellingworth, P., Hebr, 578.Google Scholar
7 Weiβ, H.-F., Hebr, 579 Anm. 36Google Scholar; Ellingworth, P., Hebr, 578.Google Scholar
8 Weiβ, H.-F., Hebr, 579.Google Scholar
9 Gen 6.13 heiβt es lediglich: ‘Da sprach Gott zu Noah’ (LXX: ĸαì εἶπεν ό θεòς πρòς Νωε.
10 In diesem Sinn oder ähnlich Michel, O., Hebr, 387Google Scholar (‘autoritativen Bescheid geben’); Hegermann, H., Der Brief an die Hebräer (ThHK 16; Berlin: Evangelische Verlagsanstalt, 1988) 228Google Scholar; Weiβ, H.-F., Hebr, 279.Google Scholar Ebenso neutral Reicke, B., Art. ϰρῆμα ĸτλ, ThWNT 9, 468–71, hier 470Google Scholar: ‘In den Kindheitserzählungen, in der Korneliusgeschichte und im Hebräerbrief wird durchϰρηματίζω zum Ausdruck gebracht, daβ Gott durch Offenbarungen jemand instruiert.’ (Hervh. im Orig.) Das ist sicher nicht falsch, nivelliert aber den Befund, wie im folgenden noch zu sehen sein wird.
11 Mose erhält von Gott die Weisung (ĸεϰρημάτισται), die Stiftshüitte ‘gemaβ dem Urbild, wie es dir auf dem Berg gezeigt wurde' (Ex 25.40), zu errichten. Wenn Weiβ, H.-F., Hebr, 437 Anm. 35Google Scholar, in der Kommentierung der Stelle meint, der Gebrauch des Verbums (sc. ϰρηματίζειν)weise darauf hin, ‘daβ es sich bei den damit bezeichneten Vorgängen um ein Offenbarungsge–schehen handelt’, so ist das sicherlich nicht falsch, aber vielleicht doch zu wenig. Philo, Leg.All. 3. 102Google Scholar, weiβ im Zusammenhang mit Ex 25.40 von einer Entrückung Moses hinauf zu Gott: ‘Deswegen ruft Gott den Moses hinauf und spricht zu ihm.’
12 So Weiβ, H.-F., Hebr, 579Google Scholar mit Anm. 35, der zur Begründung (neben Hebr 8.5; 12.25) auf Jer 33.2 LXX (= 26.2); 36.23 LXX (= 29.23); 37.2 LXX (= 30.2); Philo, Vit. Mos. 2. 283Google Scholar; Cher 17; Det 143, verweist.
13 Mit Gräβer, E., An die Hebräer (Hebr 1–6) (EKK XVII/1; Zürich/Neukirchen-Vluyn: Benziger/Neukirchener, 1990) 25Google Scholar; Weiβ, H.-F., Hebr, 77Google Scholar; Laub, F., Hebräerbrief (SKK 14; Stuttgart: Katholisches Bibelwerk, 1988) 19Google Scholar; März, C.-P., Hebräerbrief (NEB.NT 16; Würzburg: Echter, 2. Aufl. 1990) 19–20,Google Scholar ist die Spätdatierung des Hebr auf 80–90 n.Chr. der Frühdatierung vor 70 n.Chr. vorzuziehen. Letztere vertreten z. Lane, B. W. L., Hebrews 1–8 (WBC 47; Dallas, 1985) 23–4Google Scholar; Ellingworth, P., Hebr, 29–33Google Scholar; Strobel, A., Der Brief an die Hebräer (NTD 9/2; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 4. Aufl. 1991) 11.CrossRefGoogle Scholar Vgl. auch die Diskussion bei Schnelle, U., Einleitung in das Neue Testament (UTB 1830; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1994) 421–2.Google Scholar
14 Erinnert sei nur an die zeitlich ähnlich gelagerten Ausküinfte, die das JohEv diesbezüglich gibt: ‘Niemand hat Gott je gesehen’ (1.18), oder: ‘Niemand hat den Vater gesehen auβer dem, der bei Gott ist; dieser hat den Vater gesehen’ (6.46, vgl. auch 5.37–8). Der Genesistext legt hingegen eine direkte Kommunikation zwischen Gott und Mensch nahe, vgl. Gen 7.16: ‘Dann schloβ der Herr hinter ihm zu.’
15 Vgl. auch 1.267–8 nach der Flut: ‘Da wieder vom Himmel (ούρανόθι) erschallend rief noch einmal die göttliche Stimme des mächtigen Gottes’. Von daher wird man auch das ‘Erscheinen Gottes’ (1.200:ὤφθη) so verstehen, daβ Gott im Himmel bleibt und von dort aus ruft.
16 Braun, H., Hebr, 350.Google Scholar
17 Windisch, H., Hebr, 100Google Scholar: ‘Durch (den) Glauben lieβ sich Noah im Orakel über die noch nicht sichtbaren (Dinge) belehren.’ Unter den Neueren findet dieser Übersetzungsvorschlag nur bei Attridge, H. W., Hebr, 319Google Scholar (‘received an oracle’), Zustimmung.
18 Die Übersetzung nach Alexandrien, Philo von, Die Werke in deutscher Übersetzung, hrsg. von L. Cohn–I. Heinemann–M. Adler–W. Theiler, Bd. 1 (Berlin: De Gruyter, 2. Aufl. 1962).Google Scholar
19 Vgl. nur Hdt. Hist. I 66.3Google Scholar; 75.2; 159.2; VI 98.3; VIII 20.2; 77.2; Plut. Pyth. Or. 7 (Mor 397C); 19 (Mor 403E); 30 (Mor 409C). Eine Vielzahl weiterer Belege bei Passow II/2 2510–11.
20 Wörtlich wäre die entsprechende Stelle zu uuml;bersetzen:‘… auf die göttlichen Weisungen hin, welche (ihm) die Orakelsprüche zeigten’.
21 Diese, von C. Spicq um das Jahr 1950 in mehreren Aufsätzen vorgetragene These (‘Le philonisme de l'Épître aux Hèbreux’, RB 56 [1949] 542–72Google Scholar; 57 [1950] 212–42; ‘Alexandrismes dans l'Épître aux Hèbreux’, RB 58 [1951] 481–501)Google Scholar wurde durch Williamson, R., Philo and theEpistle to the Hebrews (ALGHJ 4; Leiden: Brill, 1970)Google Scholar, nachhaltig in Frage gestellt (vgl. Die Zusammenfassung ebd. 576–80). Das ändert indessen nichts daran, daβ der Hebr ‘in jedem Fall in ein mit Philon gemeinsames hellenistisch–üidisches Milieu, wenn nicht sogar in einen gemeinsamen Traditions– und Schulzusammenhang’ gehört (Weiβ, H.-F., Hebr, 102Google Scholar; Hervh. im Orig.).
22 Passow II/2, 2506.
23 Balz, H., EWNT 3, 1136.Google Scholar
24 Passow II/2, 2506. Möglicherweise hat die sprachliche Ähnlichkeit mit ϰράω, zusammen mit dem Substantivϰρησμόςder Terminus technicus für die Erteilung eines Orakels (vgl. Nur Hdt. I 55.2; 62.4; 174.5; IV 155.3; 157.2; etc.; mehr Belege bei Passow II/2, 2495–6), den religiösen Gebrauch des Wortes gefördert (Reicke, B., ThWNT 9, 469).Google Scholar
25 Das Übliche treffen dürfte Xenoph. Anab. Ill 1.6–7: Xenophon fragt beim delphischen Orakel an, ‘welchem Gotte er opfern und zu welchem er beten müsse, um die Reise, die er vorhabe, gut und glücklich zu vollenden und heil zurückzukehren’. Daraufhin macht ihm Sokrates Vorwürfe, weil er nicht zuerst gefragt habe, ‘ob es für ihn besser sei zu reisen oder zu bleiben’. Zum delphischen Orakel wie zum Orakelwesen überhaupt vgl. jetzt den handlichen Überblick bei Klauck, H. J., Die religiöse Umwelt des Urchristentums I. Stadt– und Hausreligion, Mysterienkulte, Volksglaube (Kohlhammer-Studienbücher Theologie 9/1; Stuttgart: Kohlhammer, 1995, 151–69Google Scholar [mit Lit.]); nicht minder brauchbar Luck, G., Magie und andere Geheimlehren in der Antike. Mit 112 neuüubersetzten und einzeln kommentierten Quellentexten (KTA 489; Stuttgart: Kröner, 1990, 302–14, 328–35)Google Scholar; dort auch eine Reihe von Fragen, die dem Orakel von Dodona gestellt wurden (ebd. 330).
26 Vgl. seine zur Karikatur verzerrte Serie von Orakelfragen Icaromenipp 25. Zeus im Himmel ist über eine Art Röhrensystem mit den verschiedenen Orakelorten auf der Welt verbunden und muβ sich Fragen wie diese anhören: ‘Zeus mach’, daβ meine Zwiebel und mein Knoblauch gedeihen!’, oder: ‘O ihr Götter, laβt meinen Vater schnell sterben!’, oder: ‘Wenn ich nur das Vermögen meiner Frau erbtrsquo;
27 Pseudologista 8: Nach alter Sitte bringen die Römer am zweiten Tag nach Neujahr Gebete und Opfer dar (εύϰάς τινας ĸαì θύουσι), ‘in der festen Überzeugung, daβ die G3ötter an jenem Tag am häufigsten den Bittenden Orakelantworten erteilen’ (πεπιστεύĸασιν τοùς θεοùς …ϰρηματíζειν τοîς εύϰομένοις)
28 PFayûm 137. Der Text findet sich bei Preisendanz, K., Papyri Graecae Magicae. Die greichischen Zauberpapyri, Bd. 2 (SWC; Stuttgart: Teubner, 2. Aufl. 1974) 156,Google Scholar als Nr. XXXa, sowie bei M, Totti, Ausgewählte Texte der Isis– und Sarapisreligion (SubEpi 12; Hildesheim: Georg Olms, 1985) 131,Google Scholar als Nr. 50. Gegen Preisendanz und Totti beziehe sich das τούτωι Z.4 nicht auf ϰρημάτισον, sondern auf das vorhergehende έντυγϰάνιν. In derselben Verwendung erscheint das ϰρηματίζειν auch BGU 13304 (= PGM XXXf).
29 Zum Hergang der Orakelbefragung vgl. Latte, K., PRE 18, 848–50Google Scholar; Klauck, H. J., Umwelt 1 158–9Google Scholar (zum Apollonorakel von Korope).
30 Vgl. die bei Plut. Def. Orac. 45 (Mor 434D–F), überlieferte Geschichte: Der für seine skeptische Haltung bekannte Statthalter der Region schickt einen Dienstboten mit einer nur ihm (dem Statthalter) bekannten Anfrage (‘Soil ich einen weiβen oder einen schwarzen Stier opfern?’) zum Orakel, worauf jener sich über Nacht in den heiligen Bezirk begibt und am darauffolgenden Tag folgenden Traum erzählt: ‘Es schien ihm, daβ ein schöner Mensch bei ihm stand und ihm ‘Einen schwarzen!’ zugerufen habe und nicht mehr, sondern sich sogleich entfernt habe.’
31 PSI IV, Nr. 435 (= PCairoZen 59034). Text mit Übersetzung sowie asführlichen Erläuterungen schon bei Deiβmann, A., Licht vom Osten. Das Neue Testament und die neuentdeckten Texte der hellenistisch-römischen Welt (Tübingen: Mohr, 4. Aufl. 1923) 121–8.Google Scholar
32 Vgl. Z. 13–16:ό θεός μοι ἐϰρη-| μάτισεν ĸατὰ τòν ὕπνον ὄτι Σαραπιεῖον δεῖ| αύτῶι ἀναδειϰθῆναι ἴδιον ĸαì μὴ εἶναι ὲν μισ| θωτοῖς ĸαθώς πρότερον‘der Gott offenbarte mir im Traum, daβ ihm ein eigenes Serapium errichtet werden müsse und er nicht mehr in gemieteten Räumen wie früher leben wolle’. Die Inschrift ist mehrfach ediert worden (Erstedition durch P. Roussel IG XI,4, Nr. 1299); sie findet sich z.B. in SIG3 als Nr. 663 oder bei Totti als Nr. 11. Ich zitiere nach Engelmann, H., The Delian Aretalogy of Sarapis. With a Frontispiece and 1 Figure (EPRO 44; Leiden: Brill, 1975)CrossRefGoogle Scholar; dort auch die Bemerkung ‘ϰρηματίζειν is the usual term for such a manifestation in a dream’ (18).
33 ϰρηματισμός für die im Traum ergangene göttliche Weisung auch NDIEC IV, Nr. 92 (= INikaia II, 1.1071), Z. 16–17:ĸατὰ ϰρηματισμòν ὀνίρου τòν αίετòν | σùν τῷ βωμῷ ὰνέθηĸα. Die dort im Blick auf Röm 11.4 aufgebaute Alternative (a.a.O. 176: ‘in a general sense as “divine utterance”, rather than an “oracle ”specifically’) hat allenfalls beschränkte Geltung, da der Traum als Orakel gewertet werden kann: Apul. Met. XI 7. 1,Google Scholar wird die zuvor erzählte Er–scheinung der Isis im Traum (XI 3.1–6.7), genauer ihre darin mitgeteilte Botschaft (XI 5.1– 6.7) an Lucius, als oraculum bezeichnet. Dasselbe Met. XI 13.1Google Scholar: Hier ist es der parallel zum Traum des Lucius empfangene Traum des Isispriesters (vgl. Met. XI 6.3Google Scholar), der als oraculum gilt: ‘Aber der Priester … erinnerte sich an den nächtlichen Spruch (nocturni oraculi)’' Einen weiteren Beleg für die Verwendung von ϰρηματίζειν als Traumoffenbarungsterminus steuert eine Weiheinschrift aus Andraki (SIRIS 348) aus dem 2. Jh.n.Chr. bei, welche die Aufstellung des Weihebildes auf eine Traumanweisung zurückführt: ‘Ηραĸλέων ὀρεάρις | ϰρηματισθεìς | ĸατὰὅναρ τοùς | θεοùς ἐποίησα
34 Ant. 11.327: ĸαταĸοιμηθέντι δὲ μετὰ θυσίαν ἐϰρημάτισεν αὐτῷ ĸατὰ τοùς ὔπνους ό θεòς θαρσεῖν.
35 Am deutlichsten in diese Richtung votiert Wildberger, H., Jesaja. 3. Teilband: Jesaja 28–39. Das Buch, der Prophet und seine Botschaft (BK X/3; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1982) 1407–8Google Scholar; Hentschel, G., 2 Könige (NEB.AT 11; Würzburg: Echter, 1985) 91,Google Scholar bewertet dagegen lediglich die Antwort Jesajas als Heilsorakel, was im Grunde wenig aussagekräftig ist; dementsprechend noch vorsichtiger Kaiser, O., Der Prophet Jesaja. Kapitel 1 3–39 (ATD 18; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 3. Aufl. 1983) 309Google Scholar: ‘Heilszusage, die in der Tradition des kultischen Heilsorakels steht.’
36 Die Ähnlichkeit mit den Anfragen an das delphische Orakel in politischen Konfliktfällen ist unverkennbar, vgl. nur die berühmte Anfrage der Athener, als sie 480 v.Chr. vom Heer des Xerxes bedroht waren (Hdt. Hist. VII 140. 1–144. 3Google Scholar). Darüber hinaus scheint παραĸαλεῖν als Terminus für die Orakelanfrage gebräuchlich zu sein; Paulus verwendet das Wort 2 Kor 12.8 im gleichen Sinn (vgl. Heininger, B., Paulus als Visionär. Eine religionsgeschichtliche Studie [HBS 9; Freiburg i.Br.: Herder, 1996] 260Google Scholar; dort auch ein weiterer Beleg, nämlich SIG3; 1170, Z. 30–1, für die Verwendung von παραĸαλεῖν im Heilungsorakel).
37 Zur Datierung des Jubiläenbuchs um die Mitte des 2. Jh.s v.Chr. vgl. Nickelsburg, G. W. E., Jewish Literature Between the Bible and the Mishnah. A Historical and Literary Introduction (Philadelphia: Fortress, 1981, Repr. 1987) 78–9.Google Scholar
38 Zu Jub 10.1–14 vgl. jetzt Trunk, D., Der messianische Heiler. Eine redaktions– und religionsgeschichtliche Studie zu den Exorzismen im Matthäusevangelium (HBS 3; Freiburg i.Br.: Herder, 1994, 252–7Google Scholar; ihm zufolge verrat Jub 10 ‘iatro–magische Anschauungen’ (ebd. 254). Generell zur Noahtradition hier und im folgenden vgl. Lewis, J. P., A Study of the Interpretation of Noah and the Flood in Jewish and Christian Literature (Leiden: Brill, 1968) 11–77Google Scholar; VanderKam, J. C., “The Righteousness of Noah’, in: Collins, J. J.–Nickelsburg, G. W. E., Hrsg., Ideal Figures in Ancient Judaism. Profiles and Paradigms (SBL Septuagint and Cognate Studies 12; Ann Arbor: Scholars, 1980) 13–32.Google Scholar
39 Denkbar wäre allerdings auch, daβ Noah in den Himmel entrückt und dort von den Engeln belehrt wird. Der Text macht keine genaueren Angaben und läβt den visionären Kommunkationstyp in der Schwebe.
40 Die Übersetzung nach Berger, K., Das Buch der Jubiäaen (JSHRZ II/3; Gütersloh: Gütersloher, 1981).Google Scholar
41 Das Bestreben von Jub 5–10 geht eindeutig dahin, Noah in die Rolle des Priesters einzuweisen, vgl. VanderKam, J. C., ‘Righteousness’, 22.Google Scholar
42 Zur Konzeption der mantischen Begeisterung bei Philo, die sich eng an Platon anlehnt, vgl. Heininger, B., Visionär, 149–50.Google Scholar
43 Speziell vom Spruch der delphischen Pythia Hdt. I 48.1; IV 155.2, 4; allgemein für den Orakelspruch Hdt. I 47.1, 2 IV 179.3; VIII 135.2.
44 Mehr im Vorübergehen sei noch auf 3 Bar 4.12–15 hingewiesen, wo wiederum eine Angelophanie die Kommunikation zwischen Gott und Noah herstellt: Als Noah die (von der Flut aus dem Paradies herausgeschwemmte) Weinstockpflanze findet, erscheint ihm der Engel des Herrn Phamael und klärt ihn über das Unheil, das diese Pflanze bislang schon über Adam gebracht hat, auf (3 Bar 4.12). Angesichts dessen sieht sich Noah veranlaβt, 40 Tage lang zu Gott zu flehen und ihn um eine konkrete Weisung bezüglich der Pflanze zu bitten (3 Bar 4.14: ‘Herr, ich bitte, daβ du mir offenbarst, was ich mit dieser Pflanze tun soil’), die ihm– wiederum in Form einer Engelerscheinung– auch zuteil wird (3 Bar 4.15).
45 Die uns interessierenden Belege (1 Hen 10.1–3; 65.1–12; 89.1) sind über das Buch der Wächter (1 Hen 1–36), die Bilderreden, (1 Hen 37–71)Google Scholar und das Buch der Traumvisionen, (1Hen 83–90Google Scholar) verstreut, wobei die Sache noch zusätzlich dadurch erschwert wird, daβ zwei der genannten drei Belege in Partien stehen, die dem in 1 Hen eingearbeiteten Noahbuch zugeschlagen werden, so man mit der Existenz eines solchen rechnet (vgl. Mtiller, K., Studien zur frühjüdischen Apokalyptik [SBAB 11; Stuttgart: Katholisches Bibelwerk, 1991] 115–16Google Scholar; eher skeptisch VanderKam, J. C., Enoch and the Growth of an Apocalyptic Tradition [CBQ.MS 16; Washington, 1984] 174–5)Google Scholar. Zur komplizierten Entstehungsgeschichte dieses mehrschichti–gen Werkes vgl. Schürer, E., The History of the Jewish People in the Age of Jesus Christ, Vol. 3.l, rev. and ed. by Vermes, G., Millar, F. and Goodman, M. (Edinburgh: T. & T. Clark, 1986) 250–68Google Scholar; Stone, M. E., ‘Apocalyptic Literature’, in: Ders., Hrsg., Jewish Writings of the Second Temple Period. Apocrypha, Pseudepigrapha, Qumran, Sectarian Writings, Philo, Josephus (CRINT II/2; Assen: Van Gorcum, 1984) 395–406.Google Scholar
46 Unter der Voraussetzung, daβJub jünger als die beiden zur Debatte stehenden Henoch–belege ist (und sie möglicherweise kennt), verläuft die genetische Entwicklung natürlich umgekehrt: Die bei der Übermittlung des Flutgerichts erstmals auftretenden visionären Fähigkeiten Noahs (1 Hen 10.1–3; 89.1) werden von der späteren Literatur in sein weiteres Leben hinein verlängert.
47 Die Übersetzung hier und im folgenden nach Uhlig, S., Das äthiopische Henochbuch (JSHRZ V/6; Gütersloh: Gütersloher, 1984).Google Scholar
48 Vgl. 1 Hen 9.1: ‘Da blickten Michael, Sure'el, Rufael und Gabriel vom Himmel herab, und sie sahen das viele Blut, das auf der Erde vergossen wurde, und all das Unrecht, das auf der Erde verubt wurde.’
49 Vgl. Milik, J. T., The Books of Enoch. Aramaic Fragments of Qumrän Cave 4 (Oxford: Oxford University, 1976) 172–4Google Scholar; die Option für Sariel dann bei Black, M., The Book of Enoch or I Enoch. A New English Edition with Commentary and Textual Notes (SVTP 7; Leiden: Brill, 1985) 133Google Scholar. Möglicherweise muβ man darüber hinaus sogar literarkritisch arbeiten. Nach Hanson, P. D., ‘Rebellion in Heaven, Azazel, and Euhemeristic Heroes in 1 Enoch 6–11’, JBL 96 (1977) 195–233Google Scholar; Nickelsburg, G. W. E., ‘Apocalyptic and Myth in 1 Enoch 6–11’, JBL 96 (1977) 383–405,Google Scholar erweist sich nämlich 1 Hen 6–11 als komplexes, mehrschichtiges Gebilde mit mindestens drei Bearbeitungsstufen; danach gehört 1 Hen 10.1–3 zur ältesten Schicht und ist 1 Hen 10.4–10 erst auf der dritten und letzten Stufe hinzugekommen. Newsom, Ähnlich C. A., ‘The Development of 1 Enoch 16–19: Cosmology and Judgement’, CBQ 42 (1980) 310–29, hier 313–14.Google Scholar
50 Insbesondere V. 4 verleiht der Erscheinung Henochs theophane Züge, vgl. Kvanvig, H., Roots of Apocalyptic. The Mesopotamian Background of the Enoch Figure and of the Son of Man (WMANT 61; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1988) 88.Google Scholar
51 Vgl. 1 Hen 33.2: ‘Und östlich von jenen Toren sah ich die Enden der Erde, worauf der Himmel ruht, und die Tore des Himmels offen.’ Insgesamt macht Henoch zwölf Himmelstore aus, und zwar jeweils drei im Norden (1 Hen 34.1–2), im Westen (1 Hen 35.1), im Süden (1 Hen 36.1) und schlieβlich im Osten (36.2). Weitere Auskunftüber die/das Ende(n) der Erde geben 1 Hen 18.5 (‘und ich sah am Ende der Erde das Firmament des Himmels darüber’) sowie 1 Hen 23.1–1.
52 Vgl. Hdt. Hist. V 92η.2, das Totenorakel am Acheron in Thesprotien; mit der Erweiterung der Erdkenntnis rückt der Acheron, der als Totenfluβ gegen Sonnenuntergang hin angesetzt wird, zunehmend nach Westen. Konsequenterweise liegt das bei Cic. Tusc. 1.37, erwähnte Totenorakel am Avernersee, ‘wo das eisige und schwere Dunkel der Unterwelt steht’.
53 Vgl. Pind. 01. 6.13–14; Nem. 9.24–6; 10.8–9; Luc. Alexander 19; eine ausführliche Beschreibung des Orakels (mit leicht abweichender Lokalisierung) findet sich bei Pausan. I 34.2–5.
54 Als Orakel versteht diesen Text auch Berger, K., RAC 14, 501,Google Scholar der sogar an Nekromantie denkt. Hierzu liegt mit lQGenAp 2.1–5.27 eine allerdings nurmehr fragmentarisch erhaltene Parallelüberlieferung vor; die Rekonstruktion unter Benutzung aller verfügbaren Fragmente bei Beyer, K., Die aramäischen Texte vom Toten Meer samt den Inschriften aus Pälastina, demTestament Levis aus der Kairoer Genisa, der Fastenrolle und den talmudischen Zitaten.Aramaistische Einleitung, Text,Übersetzung, Deutung, Grammatik/Wörterbuch, deutscharamaäsche Wortliste, Register (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1984) 165–86Google Scholar; Ergänzungsband (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1994) 68–70.Google Scholar
55 Vgl. 1 Hen 106.6: ‘Und mir scheint, daβ er nicht von mir, sondern von den Engeln stammt’; nur unwesentlich anders lautet die Parallele 1 QGenAp 2.1: ‘Siehe, da dachte ich in meinem Herzen, daβ von Engeln die Empfängnis stammt und von Heiligen das Geheimnis, so daβ den Riesen angehört [dieser Knabe].’
56 Vgl. IQGenAp 2.19–21; 1 Hen 106.7: ‘Und nun will ich dich, mein Vater, anflehen und bitten, daβ du zu unserem Vater Henoch gehen und von ihm die Wahrheit hören mogest.’
57 Mit den beiden genannten Belegen im Zusammenhang steht ein weiterer, aus Höhle IV stammender Text (4Q534 = 4QMessAr = 4QNoah). Der Gattung nach handelt es sich um eine Geburtsankündigung (vgl. Lk 1.8–20; 1.26–38), die Noah u.a. eine Zukunft als Visionär verheiβt und diese Qualifikation mit dem aus IQGenAp 2,23 bekannten Uruk zusammenbringt (vgl. 4Q534 frg. 1, Kol I, Z.6.8). Leider sind Anfang und Ende nicht erhalten, so daβ die Frage nach der Art der Ubermittlung der Geburtsankündigung offen bleiben muβ. Erste Wahl ist, vom atl Vorbild der Gattung her, sicher die Angelophanie (vgl. nur Ri 13.2–25), doch bleibt wegen 1 Hen 106.1–107.3; IQGenAp 2.1–5.27 auch das Henochorakel ein ernsthafter Kandidat. Der Text mit englischer Übersetzung und Kommentar sowie (wenig überzeugenden) Ausfuhrüngen zum Noahbuch bei Martinez, F. Garcia, Qumran and Apocalyptic. Studies on the Aramaic Texts from Qumran (StTDJ 9; Leiden 1992) 1–44Google Scholar; eine zuverlässige deutsche Übersetzung jetzt auch bei Maier, J., Die Qumra–Essener: Die Texte vom Toten Meer. Bd. 2:Die Texte der Höhle 4 (UTB 1863; München–Basel: Ernst Reinhardt, 1995) 704–6.Google Scholar Zur Identifizierung des in den vorhandenen Fragmenten namenlos bleibenden Kindes mit Noah vgl. Grelot, P., ‘Hénoch et ses écritures’, RB 82 (1975) 481–500.Google Scholar
58 Vgl. dazu zuletzt Martinez, F. Garcia, Qumran, 97–115.Google Scholar Fragmente von insgesamt elf Handschriften liegen vor (1Q23; 24; 2Q26; 4QEnGiantsa–g; 6Q8); 4QEnc und 4QEnebezeugen den Eingang des Buches in den Henochzyklus bereits für das 1. Jh.v.Chr. Zur Textsituation auch Milik, J. T., Books, 298–317Google Scholar; Übersetzung und Zählung der Texte nach Beyer, K., Texte I, 258–68.Google Scholar
59 Pausan. I 35, 4–5:‘… war keiner Seher noch Orakelerteiler, wohl aber waren sie in der Lage, Träume auszulegen … Ich glaube, daβ Amphiaraos sich besonders der Traumdeutung widmete; dafür spricht, daβ er, als er als Gott anerkannt war, ein Orakel durch Träume einrichtete’.
60 Allerdings ist gerade an dieser Stelle die Überlieferung mit massiven Lücken belastet, so daβ jedes Urteil notwendigerweise in hohem Maβe hypothetisch bleibt. Falls die von Beyer vermutete Reihung zutrifft, schlieβt sich hernach (Gig 11.1–3 = 6Q8, frg. 2) ein weiterer Traum an, der die Rettung Noahs anzeigt.
61 So Ellingworth, P., Hebr, 578Google Scholar; Weiβ, H.-F., Hebr, 579 Anm. 35Google Scholar; Rose, C., Wolke, 196.Google Scholar