Book Reviews
Published online by Cambridge University Press: 22 February 2024
Summary
Georg Lukács. Texte zum Theater. Hrsg. von Jakob Hayner und Erik Zielke in Zusammenarbeit mit dem Literaturforum im Brecht-Haus. Berlin: Verlag Theater der Zeit, 2021. 307 Seiten.
Der Philosoph, politische Intellektuelle und Literaturtheoretiker Georg Lukács hat in den letzten ungefähr zehn bis fünfzehn Jahren eine überraschende Renaissance erlebt. Literaturwissenschaftlich lag das Hauptaugenmerk dabei auf Lukács’ Arbeiten zur Geschichte und Theorie realistischer Prosa: die (noch vormarxistische) Theorie des Romans markiert diesen Akzent schon im Titel; die neuerdings wieder vielgelesenen und -diskutierten Essays über Realismus aus den 1930er bis 1950er Jahren (etwa “Reportage oder Gestaltung?,” “Erzählen oder Beschreiben?” oder “Die Gegenwartsbedeutung des kritischen Realismus”) beschäftigen sich fast ausschließlich mit der großen europäischen Romanliteratur von Balzac über Tolstoi bis Thomas Mann. Ein Band, der im Titel eine Zusammenstellung der Lukácsschen Texte zum Theater verspricht, ist daher also umso willkommener, als er die prosaische Unwucht in der Rezeption der literaturhistorischen und -theoretischen Arbeiten Lukács’ zu berichtigen verspricht. Denn es ist ja tatsächlich so, wie die beiden Herausgeber Jakob Hayner und Erik Zielke in ihrer kurzen Einleitung schreiben: Lukács interessierte sich “[z]eitlebens … für das Theater als Kunstform—von seinen Anfängen als Theaterkritiker über Schriften wie ‘Zur Soziologie des modernen Dramas’ bis zu den geistreichen Studien über einzelne Theaterautoren” (7).
Die Anthologie folgt Lukács’ Interesse in drei Abteilungen, die jeweils von kurzen Einführungstexten eingeleitet werden: zunächst die Abteilung “Ästhetik,” eingeleitet von Hayner, dann “Kritischer Realismus,” eingeleitet von Bernd Stegemann, schließlich “Theatergeschichte,” eingeleitet von Zielke. Beginnen wir von hinten: In der letzten Abteilung wird “Theatergeschichte” in einer Folge von einigen jener “geistereichen Studien” vorgestellt, die die Einleitung schon ankündigt; die “Theaterautoren,” um die es geht, sind Goethe (mit einem Ausschnitt aus den “Faust-Studien” von 1940), Kleist (“Die Tragödie Heinrich von Kleists” von 1936), Büchner (“Der faschistisch verfälschte und der wirkliche Georg Büchner” von 1937) und Hauptmann (“Gerhard Hauptmann” von 1932). Abgeschlossen wird die Abteilung (und der ganze Band) mit einem wenig bekannten Nachruf auf Hanns Eisler, publiziert in der Zeit 1965, und zwei Archiv-Trouvaillen zu Brecht: einmal das Beileidstelegramm, das Lukács und seine Frau Gertrud Bortstieber nach dem Tode Brechts an Helene Weigel geschickt haben, dann der Text einer kurzen Gedenkrede, die Lukács am 18. August 1956 beider Trauerfeier für Brecht in Ost-Berlin gehalten hat.
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- The Brecht Yearbook / Das Brecht-Jahrbuch 48 , pp. 369 - 388Publisher: Boydell & BrewerPrint publication year: 2023