Book contents
- Frontmatter
- Contents
- Special Section on What Goethe Heard, edited by Mary Helen Dupree
- What Goethe Heard: Special Section on Hearing and Listening in the Long Eighteenth Century
- Behind Herder's Tympanum: Sound and Physiological Aesthetics, 1800/1900
- Becoming the Listener: Goethe's “Der Fischer”
- Of Barks and Bird Song: Listening in on the Forgotten in Ludwig Tieck's Der blonde Eckbert
- Garden Empire or the Sublime Politics of the Chinese-Gothic Style
- Die Austreibung des Populären: Schillers Bürger-Kritik
- Goethe and the Uncontrollable Business of Appropriative Stage Sequels
- Repetition and Textual Transmission: The Gothic Motif in Goethe's Faust and “Von deutscher Baukunst”
- “Die gewalt'ge Heldenbrust”: Gender and Violence in Goethe's Iphigenie auf Tauris
- Literary Form and International World Order in Goethe: From Iphigenie to Pandora
- Two Gifts from Goethe: Charlotte von Stein's and Charlotte Schiller's Writing Tables
- Goethe's Wilhelm Meister and the Refusal to Grow Up: The Dialectics of Bildung
- “So steh' ich denn hier wehrlos gegen dich?”— Figures of Armament and Disarmament in German Drama before and after the French Revolution
- Goethe, Maimon, and Spinoza's Third Kind of Cognition
- Die Neuvermessung von Lyrik und Prosa in Goethes Novelle
- Book Reviews
Die Austreibung des Populären: Schillers Bürger-Kritik
from Special Section on What Goethe Heard, edited by Mary Helen Dupree
Published online by Cambridge University Press: 16 May 2018
- Frontmatter
- Contents
- Special Section on What Goethe Heard, edited by Mary Helen Dupree
- What Goethe Heard: Special Section on Hearing and Listening in the Long Eighteenth Century
- Behind Herder's Tympanum: Sound and Physiological Aesthetics, 1800/1900
- Becoming the Listener: Goethe's “Der Fischer”
- Of Barks and Bird Song: Listening in on the Forgotten in Ludwig Tieck's Der blonde Eckbert
- Garden Empire or the Sublime Politics of the Chinese-Gothic Style
- Die Austreibung des Populären: Schillers Bürger-Kritik
- Goethe and the Uncontrollable Business of Appropriative Stage Sequels
- Repetition and Textual Transmission: The Gothic Motif in Goethe's Faust and “Von deutscher Baukunst”
- “Die gewalt'ge Heldenbrust”: Gender and Violence in Goethe's Iphigenie auf Tauris
- Literary Form and International World Order in Goethe: From Iphigenie to Pandora
- Two Gifts from Goethe: Charlotte von Stein's and Charlotte Schiller's Writing Tables
- Goethe's Wilhelm Meister and the Refusal to Grow Up: The Dialectics of Bildung
- “So steh' ich denn hier wehrlos gegen dich?”— Figures of Armament and Disarmament in German Drama before and after the French Revolution
- Goethe, Maimon, and Spinoza's Third Kind of Cognition
- Die Neuvermessung von Lyrik und Prosa in Goethes Novelle
- Book Reviews
Summary
Der Kontext
IN SEINER LITERATURGESCHICHTE des Liebesverrats kommt Peter von Matt auch auf Gottlieb August Bürgers Ballade von Des Pfarrers Tochter von Taubenheim zu sprechen, die 1782 im Göttinger Musenalmanach erschienen ist. Die 38-strophige Ballade behandelt das Schicksal einer Kindsmörderin, die doch selbst ein Opfer ist—ein zweifaches Opfer gar: Einmal eines ga lanten Verführers, der ihr das Blaue vom Himmel versprach, und dann eines sittenstrengen Vaters, der seiner Tochter eine Moral einzubleuen suchte, die Tugend mit Unschuld verwechselte. Das war der Stoff, aus dem heute noch soap operas oder Schlager fabriziert werden. Wenn diese Schlager dann im Radio oder bei MTV gespielt werden, heißen sie tatsächlich wieder Balladen. Bürgers Ballade war “sex und crime der Jahrmarktsänger,” ein Text von dröhnender Selbstgefälligkeit, der sich zuletzt auch noch mit einer bigotten Religion arrangiert, die dem verführten Mädchen allein die Schuld an allem in die Schuhe schiebt. Aber die Ballade hat auch ihre großen Stellen, wenn sie mit fast soziologischer Präzision die Fatalität eines Liebesvertrags skizziert, der unter ungleichen Partnern eingegangen wird und daher keine Gültigkeit beanspruchen dürfte—die Beschränktheit der bürgerlichen Sphäre und die Hartherzigkeit der galanten Welt findet in Bürgers Sprache, die sich beiden Idiolekten anzuschmiegen weiß, Ausdruck und Überzeugungskraft. Bürgers Ballade ist in ihrem aufflackernden Zorn, der vibrierenden Empörung über die Ungerechtigkeit der Welt, die so etwas geschehen lässt, ein durchaus repräsentativer Ausdruck jener vorrevolutionären Epoche, die sich von den kommenden Jahrzehnten eine radikale Veränderung der Verhältnisse erwartete, bei der gerade der Literatur eine dominierende Bedeutung zukomme. Davon zeugt auch Bürgers Lenore, die Ballade von der Gespensterbraut, deren onomatopoetische Genialität—“ein Gedicht ist ein Ritt, ein Ritt wird zum Gedicht” (Matt 106)—sie zu einem der seltenen überzeugenden Beispiele phantastischer Lyrik macht. Bürgers Lenore hat nicht nur Goethes Erlkönig genauso wie seine Braut von Korinth inspiriert, sondern dürfte durch die Übersetzung von Walter Scott wohl auch maßgeblich Samuel Taylor Coleridges Cristabal (1797) beeinflusst haben.
Eine Literatur, die dermaßen wirkt, die geradezu einzuschlagen versteht, ist mit den Worten von Matts “ein derbes, handfestes Stück Literatur, […] eine einfache Sache, greifbar und deutlich. Abschließend auslegen kann man sie, und man muß zuletzt nicht mit Gesten der Resignation zum Ausdruck bringen, wie viel mehr noch an der Sache wäre und wie unerschöpflich sie im Grunde sei. Diese Dichtung ist erschöpflich. Das macht sie sympathisch. Man hüte sich, sie zu verachten” (Matt 106).
- Type
- Chapter
- Information
- Goethe Yearbook 25Publications of the Goethe Society of North America, pp. 97 - 108Publisher: Boydell & BrewerPrint publication year: 2018