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Göttersöhne: Lk 1.26–38 als Kontrasterzählung zu einem römischen Gründungsmythos

Published online by Cambridge University Press:  26 February 2015

Gudrun Nassauer*
Affiliation:
Katholisch-Theologische Fakultät, Ludwig-Maximilians-Universität München, Geschwister-Scholl-Platz 1, 80539 München, Germany. Email: gudrun.nassauer@kaththeol.uni-muenchen.de

Abstract

Roman identity and legitimisation of imperial rule were closely connected to the mythological motive of divine descent. In this context, the myth of Romulus with the encounter between the god Mars and the virgin Rhea Silvia developed its own significance that was available for broader circles within the population of the Roman Empire. It is against this background that Luke 1.26–38 may be read as an alternative foundation narrative that assimilates essential features of the Roman myth of origin in order to reinterpret it christologically.

German abstract: Identität und Herrschaftslegitimation des römischen Reiches waren eng mit dem Mythem göttlicher Herkunft verbunden. In diesem Zusammenhang gewann der Romulus-Mythos mit der Begegnung zwischen dem Gott Mars und der Jungfrau Rhea Silvia eine maßgebliche, auch breiteren Kreisen der Reichsbevölkerung zugängliche Bedeutung. Lk 1.26–38 kann vor diesem Hintergrund als eine alternative Gründungserzählung gelesen werden, in der wesentliche Elemente des römischen Ursprungsmythos aufgenommen und christologisch umgedeutet werden.

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Copyright © Cambridge University Press 2015 

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References

1 Das Modell der Legitimierung durch Herkunftsbehauptung wurde von Julius Caesar begründet und von den nachfolgenden Kaisern und Dynastien fortgeführt. Für einen umfassenden Überblick zur Entwicklung des römischen Herrscherkultes, s. Clauss, M., Kaiser und Gott: Herrscherkult im römischen Reich (München: K.G. Saur, 2001) 39182 Google Scholar.

2 S. dazu einschlägig Schreiber, S., Weihnachtspolitik: Lukas 1–2 und das Goldene Zeitalter (NTOA 82; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2009)CrossRefGoogle Scholar.

3 Classen, J., „Zur Herkunft der Sage von Romulus und Remus“, Historia 12 (1963) 447–57Google Scholar sieht den Ursprung der Sage von Romulus und Remus im republikanischen Rom, mit t.a.q. 4. Jh. v. Chr. Die drei Überlieferungsstränge unterscheidet zuerst Poucet, J., Les Origines de Rome: Tradition et histoire (Publications des Facultés Universitaires Saint Louis 38; Brüssel: Facultés Universitaires Saint Louis, 1985) 4854 Google Scholar (zu den Quellen der Überlieferung s. auch 54–71).

4 Vgl. Plut. Romulus 1,1–8,3, der die verschiedenen Versionen des Mythos und deren Quellen wiedergibt. Zur Entstehung der Romulus-und-Remus-Tradition, s. Classen, Herkunft.

5 at vero Fabius Pictor libro primo et Vennonius <tradunt> solito institutoque egressam virginem in usum sacrorum aquam petitum ex eo fonte qui erat in luca Martis, subito imbri tonitribusque quae cum illa erant disiectis, a Marte compressam conturbatamque, mox recreatam consolatione dei nomen suum indicantis affirmantisque ex ea natos dignos patre evasuros. Fabius Pictor in: Origo gentis Romanae 20,1 (hier und im folgenden eigene Übersetzungen).

6 Die Absicht dieses Beitrags ist es nicht, mögliche literarische Abhängigkeiten zwischen Lk 1.26–38 und Quellen zur Begegnung von Mars und Rhea Silvia zu untersuchen oder gar zu beweisen. Was aber behauptet werden soll, ist ein den gesamten Mittelmeerraum verbindendes Grundgerüst von Sinn-Überlieferungen, das sich in der sozialen, narrativen und rituellen Kultur ausdrückt. Die Leitfrage für die Erhebung des literarischen und materialen Quellenguts lautet also: Kann mit einiger Wahrscheinlichkeit behauptet werden, dass ein bestimmtes in den Quellen zutage tretendes Motiv zur kulturellen Enzyklopädie der Rezipienten von Lk 1.26–38 gehört hat?

7 Cass. Dio, Fragm. Buch 1 in der Überlieferung des Johannes Tzetzes, Lycophr. Alex. v. 1232.

8 Albertson, F., Mars and Rhea Silvia in Roman Art (CollLat 336; Brüssel: Latomus, 2012) 21–2Google Scholar reiht die Version des Livius klar in die mythologische Tradition ein. Möglicherweise ist die mythologische und rationalisierende Parallelüberlieferung bei Livius seiner Absicht geschuldet, Mythen im Interesse des Kaiserhauses zu historisieren.

9 vi compressa Vestalis, cum geminum partum edidisset, seu ita rata, seu quia deus auctor culpae honestior erat, Martem incertae stirpis patrem nuncupat. sed nec di nec homines aut ipsam aut stirpem a crudelitate regia vindicant: sacerdos vincta in custodiam datur, pueros in profluentem aquam mitti iubet. Liv. 1,4,2–3.

10 forte quaedam divinitus super ripas Tiberis effusus lenibus stagnis nec adiri usquam ad iusti cursum poterat amnis et posse quamvis languida mergi aqua infantes spem ferentibus dabat. ita, velut defuncti regis imperio, in proxima alluvie, ubi nunc ficus Ruminalis est – Romularem vocatam ferunt –, pueros exponunt. Liv. 1,4,4–5.

11 at vero Marcus Octavius et Licinius Macer tradunt Amulium, patruum Rhea sacerdotis, amore eius captum, nubilo caelo obscuroque aere cum primum illucescere coepisset, in usum sacrorum aquam petenti insidiatum, in luco Martis compressise eam. Origo gentis Romanae 19,5. Zur Begründung der Datierung, s. Albertson, Mars, 40–1.

12 τοῦτον δέ τινες μὲν ἀποφαίνουσι τῶν μνηστήρων ἕνα γενέσθαι τῆς κόρης ἐρῶντα τῆς παιδίσκης, οἱ δὲ αὐτὸν Ἀμόλιον οὐκ ἐπιθυμίας μᾶλλον ᾒ ἐπιβουλῆς ἕνεκα φραξάμενόν τε ὅπλοις ὡς ἐκπληκτικώτατος ὀφθήσεσθαι ἔμελλε καὶ τὸ τῆς ὄψεως γνώριμον εἰς ἀσαφὲς ὡς μάλιστα ἐδύνατο καθιστάντα. Dion. Hal. Ant. Rom. 1,77,1–2. Einen ähnlichen Weg schlägt gegen Ende des 1. oder zu Beginn des 2. Jahrhunderts Plut. Romulus 2–4 ein.

13 Vgl. Enn. Ann. 1,32–48.

14 Es verwundert auf den ersten Blick, dass diese in den Details anzügliche Version der Ursprungserzählung des römischen Volkes in einer Beschreibung religiöser Feste die augusteische Zensur überstanden hat, zumal die Untreue einer Vestalin als schweres Vergehen angesehen wurde. Dass die Erzählung für die Zeitgenossen einer gewissen Peinlichkeit nicht entbehrte, mag ein Grund für die zu beobachtende „Pazifizierung“ des Mythos in augusteischer Zeit gewesen sein. Gleichzeitig ist die Tatsache, dass die Erzählung dennoch überliefert wurde, ein starkes Indiz dafür, wie fest diese Tradition im kulturellen Gedächtnis verwurzelt war. Der Gott Mars scheint sich demnach außerhalb der Reichweite augusteischer Zensur befunden zu haben. Aufschlussreich ist auch eine an Augustus gerichtete Verteidigung des Ovid gegen den Vorwurf, seine Ars amatoria verleite Frauen zum Ehebruch. Dann, so kontert Ovid, dürfe eine Frau ja gar nichts mehr lesen, da sie bei Ennius ganz sicher auf die Passage stieße, wie Rhea Silvia schwanger geworden sei (vgl. Ov. Trist. 2,253–60). Wertvolle Hinweise zu diesem Zusammenhang verdanke ich Herrn cand. phil. Markus Kirchner, München.

15 S. Albertson, Mars, 29.

16 Vgl. Albertson, Mars, 35–6.45–6.

17 Bömer, F., Hg., P. Ovidius Naso: Die Fasten (Heidelberg: Carl Winter, 1958) 142Google Scholar weist für Ov. Fast. 3,21 auf die durch die Handlungsdichte ausgedrückte „elementare Gewalt des Gottes“ hin.

18 Den göttlichen Einfluss auf die Rettung bezeugt im 1. Jh. n. Chr. auch Quint. Inst. 3,7,5: ut qui Romulum Martis filium … dicat in argumentum caelestis ortus utatur his, quod abiectus in profluentem non potuerit extingui, quod omnia sic egerit ut genitum praeside bellorum deo incredibile non esset…. Ähnlich im 2. Jh. n. Chr. auch Plut. Mor. 320a–b.

19 Diesen Zusammenhang bestätigt auch Cic. Rep. 2,4: quod habemus, inquit, institutae rei publicae tam clarum ac tam omnibus notum exordium quam huius urbis condendae principium profectum a Romulo? qui patre Marte natus – concedamus enim famae hominum, praesertim non inveteratae solum sed etiam sapienter a maioribus proditae, bene meriti de rebus communibus ut genere etiam putarentur, non solum ingenio esse divino …

20 Bemerkenswert ist auch die Ähnlichkeit des Motivs mit der Erzählung von der Verfolgung Jesu durch Herodes in Mt 2.

21 S. Albertson, Mars, Tafel i. Im Zentrum der Darstellung steht allerdings die die Zwillinge säugende lupa Romana.

22 Für den Status eines „national symbol“ für die Darstellung der Szene argumentiert aufgrund der ikonographischen Vereinheitlichung Albertson, Mars, 81.

23 Vgl. Albertson, Mars, 46–7.

24 Vgl. Albertson, Mars, Tafeln ii–iii. Geringfügige Abweichungen (Richtung, aus der Mars kommt; rechter oder linker angewinkelter Arm Rhea Silvias) sind zu beobachten.

25 S. Albertson, Mars, Tafel iii-6.

26 Vgl. Albertson, Mars, 31–3; ferner Dardenay, A., Les Mythes fondateurs de Rome: images et politique dans l'occident romain (Paris: Picard, 2010) 105Google Scholar.

27 Hölscher, T., Römische Bildsprache als semantisches System (AHAW.PH 1987/2; Heidelberg: Carl Winter, 1987) 74–5Google Scholar hat festgestellt, dass in der römischen Kunst mit der Zeit eine zunehmende Typisierung und Standardisierung eintritt, so dass ein „visuelles Kommunikationssystem“ geschaffen wird, das schichten- und reichsübergreifend umfassend wirken konnte.

28 Mackie, C. J., The Characterisation of Aeneas (Scottish Classical Studies 4; Edinburgh: Scottish Academic Press, 1988) 216–18Google Scholar zeigt auf, dass Vergil den Protagonisten der Aeneis als Vorbild der pietas und gleichzeitig mit Tendenz zum Übermenschlichen darstellt.

29 Vgl. u. a. Zanker, P., Augustus und die Macht der Bilder (München: C.H. Beck, 1990) 204–13Google Scholar. Dardenay, Mythes, 86–8 betont die typologische Rolle, die bei der Verbreitung dieser Selbstdarstellung das römische Augustus-Forum gespielt hat. Ein literarisches Zeugnis, dass Augustus in die Nähe zu Romulus gestellt wurde, bietet Suet. Aug. 7,2; ferner Aug. 95. Sueton bezeugt auch die Wiederherstellung des Lupercalien-Festes durch Augustus, vgl. Aug. 31,4. Zu den bereits in der Antike unterschiedlichen Auffassungen über Sinn und Zweck der Lupercalia, s. ausführlich Ulf, C., Das römische Lupercalienfest: Ein Modellfall für Methodenprobleme in der Altertumswissenschaft (Impulse der Forschung 38; Darmstadt: WBG, 1982) 7989 Google Scholar. Cass. Dio 53,16,4–7 berichtet von der Ansiedlung Octavians auf dem Palatin in Nachfolge des Romulus und von Augustus’ Wunsch, dass der Senat ihm den Namen des Gründervaters als Ehrentitel verleihe. Starr, R., „Annos undeviginti natus: Augustus und Romulus in Res Gestae 1,1“, Historia 58 (2009) 367–9Google Scholar deutet zudem den Beginn der Res Gestae: annos undeviginti natus als Angebot zur Assoziation zwischen Augustus und Romulus.

30 Dardenay, Mythes, 99–101, die aufgrund von ikonographischen Ähnlichkeiten auch dafür plädiert, das Relief nicht als Tellus-Darstellung, sondern als Darstellung der Göttin Leto, Mutter der Zwillinge Apollo und Artemis, zu lesen, was einer Verwendung als Vorbild für eine Darstellung der Rhea Silvia mit Romulus und Remus zusätzlich Plausibilität verleihen würde.

31 S. Dardenay, Mythes, 97.

32 S. Dardenay, Mythes, 97.

33 S. Dardenay, Mythes, 97.

34 S. Dardenay, Mythes, 98.

35 Eine interessante Ähnlichkeit dazu zeigt die Erzählung der Empfängnis des Augustus nach der Verbindung seiner Mutter Atia mit Apollo, die Sueton einige Jahrzehnte später berichtet: Atia schläft im Tempel des Apollo, eine Schlange kriecht zu ihr, sie empfängt und behält ein schlangenförmiges Mal auf der Bauchdecke. Der zehn Monate später geborene Augustus sei aufgrund dieser Begebenheit für einen Sohn Apollos gehalten worden (vgl. Suet. Aug. 94,4). Auch die im Traum erhaltene Verheißung über das Kind besitzt starke Anklänge an die Romulus-Tradition: eadem Atia, prius quam pareret, somniavit intestina sua ferri ad sidera explicarique per omnem terrarum et caeli ambitum. somniavit et pater Octavius utero Atiae iubar solis exortum. – Diese Atia träumte, bevor sie gebar, dass das, was sie in sich trug, zu den Sternen getragen und sich über den ganzen Erdkreis ausbreiten werde. Auch der Vater Octavius träumte, aus dem Leib Atias heraus entstehe strahlendes Sonnenlicht. Suet. Aug. 94,4. Die Identifikation des Neugeborenen als dominus terrarum orbi natus (Suet. Aug. 94,5) und das günstige Vorzeichen in Augustus’ erstem Konsulat, das mit Romulus in Verbindung gebracht wird (Suet. Aug. 95), zeigen ebenfalls die Verbindung von eigenem Weltherrschaftsanspruch und Berufung auf Romulus an.

36 Vgl. Dardenay, Mythes, 103.

37 Dardenay, A., Images des Fondateurs: d’Énée à Romulus (ScriptaAntiqua 43; Paris: Boccard, 2012) 133Google Scholar interpretiert Rhea Silvia in dieser Darstellung als Opfer des Mars, die bei der Begegnung bei vollem Bewusstsein ist.

38 Vgl. Dardenay, Mythes, 159–60.

39 So Dardenay, Images, 160. In eine ähnliche Richtung denkt Albertson, Mars, 10: „During the Augustan age there was a concerted attempt to elevate the message of the encounter from personal, familial glorification to one of national concern, emphasizing divinely ordained beginnings and the preservation of the new Augustan order.“

40 S. RIC Augustus 82, verso; RIC Augustus 82a, verso; RIC Augustus 150a, verso; RIC Augustus 351, verso; RIC Augustus 356, verso. Von besonderem Interesse ist die Darstellung eines Mars Ultor-Tempels (RIC Augustus 72, verso), die ebenfalls den bis auf Waffen, Helm und Standarte nackten Gott abbildet und vermuten lässt, dass dieser im 1. Jh. n. Chr. verbreitete Typus auf das Vorbild des von Augustus errichteten Mars-Ultor-Tempels zurückgeht. Auch in späterer Zeit finden sich relativ durchgehend Mars-Darstellungen auf Münzen der Kaiser, nämlich bei Caligula, Claudius, Nero, Vitellius, Vespasian und Titus.

41 S. RIC Vespasian 108, verso; RIC Vespasian 194, verso; RIC Vespasian 241, verso (mit Boot); RIC Hadrian 192d, verso; RIC Hadrian 193d, verso.

42 RIC Antoninus Pius 99, verso (s. Abb. 1). Auch insgesamt ist im Münzbestand zur Regierungszeit des Antoninus Pius ein deutlicher Anstieg von mit der göttlichen Abkunft von Mars verbundenen Darstellungstypen zu beobachten. Vgl. RIC Antoninus Pius 42a, verso; RIC Antoninus Pius 90, verso; RIC Antoninus Pius 94, verso; RIC Antoninus Pius 95, verso; RIC Antoninus Pius 96, verso; RIC Antoninus Pius 113a, verso; RIC Antoninus Pius 116, verso; RIC Antoninus Pius 149, verso.

43 S. RIC Caligula 36, verso.

44 Vgl. Dardenay, Mythes, 87.

45 Vgl. Dardenay, Mythes, 86–7.

46 Ähnlich Dardenay, Mythes, 109–10.

47 S. Albertson, Mars, Tafel v-13.

48 S. Dardenay, Images, 135–7.

49 Vgl. Dardenay, Mythes, 106.

50 Auf die Notwendigkeit einer Neulegitimation der Kaiser nach Ende der julisch-claudischen Dynastie und verschiedene in dieser Linie verständlichen Aktionen der Flavier weist Dardenay, Mythes, 110–11 hin.

51 Vgl. Dardenay, Images, 137–8.

52 Vgl. Dardenay, Images, 138.

53 S. Dardenay, Images, 98, Abb. iii-22.

54 Vgl. Dardenay, Images, 139.

55 S. Dardenay, Images, 140, Abb. iv-5.

56 Vgl. Dardenay, Images, 145, Abb. iv-10.

57 S. Dardenay, Images, 146, Abb. iv-11.

58 Diese Änderung ist möglicherweise dem rechteckigen Format der Darstellungsfläche geschuldet.

59 S. SIG iii, 760.

60 Relevant ist hier auch die besondere Struktur des Kaiserkults in Ephesos, der im Gegensatz zu den in Kontinuität mit traditionellen griechischen Formen stehenden Ausprägungen in anderen Zentren Kleinasiens und Griechenlands, stark römisch geprägt war. Vgl. Kantinréa, M., „Étude comparative de l'introduction du culte impérial à Pergame, à Athènes et à Éphèse“, More than Men, Less than Gods: Studies on Royal Cult and Imperial Worship (Hg. P. Iossif, A. Chankowski, C. Lorber; StHell 51; Leuven: Peeters, 2011) 521–51Google Scholar, hier 532–6.

61 Es ist zusätzlich bemerkenswert, dass auch die beiden anderen paganen religionsgeschichtlichen „Konkurrenten“ Jesu, Herakles und Orpheus, eine ähnliche Herkunftserzählung aufweisen: Alkmene, die künftige Mutter des Herakles, wird von ihrem Vater in der Obhut des Amphitryon gelassen. In dessen Abwesenheit teilt Zeus in der Gestalt Amphitryons das Lager mit ihr. Hera schickt aus Neid zwei Drachen bzw. Schlangen, um Herakles zu töten. Dieser erwürgt die Untiere mit bloßen Händen. (Vgl. Apollod. 2,54.61–2). Orpheus ist Sohn der Kalliope und des Apollon (vgl. Apollod. 1,14). Ein Argument für das Potential der Herkunftserzählung des Romulus als Rezeptionsfolie für Lk 1.26–38 ist auch am Ende des Mythos, bei Romulus’ Apotheose, zu finden, die als Vorbild für die Apotheosen der römischen Kaiser diente und zu der die lukanische Erzählung der Himmelfahrt Jesu (Apg 1.4–11) deutliche Ähnlichkeiten aufweist: Liv. 1,16,1–8 erzählt von der von Naturerscheinungen begleiteten Aufnahme des Romulus auf einer Wolke (nimbus) in den Himmel, der in der Folge vom Volk als Gott akklamiert wird. Dem Verdacht, er sei in Wirklichkeit von den Senatoren ermordet worden, steht die Aussage des Proculus Julius entgegen, der das Emporsteigen in die Höhe (sublimis abiit) bezeugt. Vgl. auch Enn. Ann. 2,117–20; Cic. Rep. 1,25; Cic. Rep. 2,17.20; Dion. Hal. Ant. Rom. 2,56,2.6; Plut. Romulus 27,2–8. Cass. Dio 56,46,2 belegt die Annahme der Apotheose des Augustus im Stil des Romulus. Zum Ritual der römischen Kaiser-Apotheose s. ausführlich I. Gradel, Emperor Worship and Roman Religion (OCPM 398: Oxford: Clarendon) 305–20; ferner Dardenay, Mythes, 102–3.

62 Zur Frage, ob Maria in Lk 1.39–45 bereits schwanger gewesen sei, s. Nassauer, G., Gegenwart des Abwesenden: Eidetische Christologie in Lk 1.39–45“, NTS 58 (2012) 6987 CrossRefGoogle Scholar, hier 75–80.

63 Vgl. Albertson, Mars, 15–16.

64 Von den insgesamt vier Belegen für ἐπισκιάζω in der LXX bezeichnen drei die Gegenwart Gottes: In Ex 40.35 überschattet die Wolke Gottes das Bundeszelt; die beiden weiteren Belege in Ps 90.4 und 139.8 bezeichnen die den Beter schützende Gegenwart Gottes in Gefahr. Für die Jesus überschattende Wolke der Gottesgegenwart in der Verklärungsszene scheinen Mt 17.5 und Lk 9.34 den Begriff von Mk 9.7 zu übernehmen. Die beiden weiteren neutestamentlichen Belege finden sich in der lukanischen Verkündigungsszene (Lk 1.35) und in Apg 5.15. Es ist davon auszugehen, dass Lk die Vokabel mit Bedacht gewählt hat, um ähnlich wie bei der Verklärung die Gegenwart Gottes anzuzeigen, die in Lk 1.35 Maria umhüllt, in Apg 5.15 auf die Kontinuität des Heilshandelns Jesu in der Person Petri hinweist. Eine Konnotation im Sinne eines ekstatischen Zustands, der Verstand und freien Willen außer Kraft setzt, wie sie, ausgehend von ägyptischen Vorlagen, Norden, E., Die Geburt des Kindes: Geschichte einer religiösen Idee (Darmstadt: WBG 1924; 19694) 92–9Google Scholar annimmt, ist in der Verwendung des Begriffs in der LXX und durch Lk m.E. nicht zu erkennen; auch die Tradierung über Philo, die Norden annimmt, ist plausibel widerlegt (vgl. Lösch, S., Deitas Jesu und Antike Apotheose: Ein Beitrag zur Exegese und Religionsgeschichte (Rottenburg: Bader, 1933) 100–1Google Scholar).

65 In gewisser Weise ist der Traum Rhea Silvias für den römischen Kontext ebenfalls heilsgeschichtlich konnotiert. Unterschiede bestehen gleichwohl in der als bereits geschehen berichteten Begnadung Marias, die in der Romulus-Tradition einer Erwählung durch Mars aus eher egoistischen Motiven, die nachträglich zum Guten gedeutet und gewendet werden, gegenübersteht.

66 Vgl. Schreiber, Weihnachtspolitik, 74, der einen direkten Kontrast zwischen der bis zu Gott zurückreichenden „Dynastie“ Jesu und der erst zwei Generationen jungen Dynastie Domitians erkennt. Die Kontrastwirkung verstärkt sich unter Einbeziehung von Lk 2.1–20: Hier wird der augusteische Herrschaftsanspruch über den orbis terrarum (οἰκουμένη) zuerst angesprochen (2.1), im folgenden aber durch die Zeichnung Jesu als eigentlichen Herrn und σωτήρ kontrastiert. Vgl. Schreiber, Weihnachtspolitik, 68–76.

67 Vgl. Wolter, M., Das Lukasevangelium (HNT 5; Tübingen: Mohr Siebeck, 2008) 8992 Google Scholar. S. auch Schreiber, Weihnachtspolitik, 64, der im Hinweis auf die „neue Herrschaft“ für Israel einen Anklang an die in augusteischer Zeit literarische, mit dem Princeps verbundene Wiederkehr des Goldenen Zeitalters sieht.

68 S. hierzu Rowe, C. K., Early Narrative Christology: The Lord in the Gospel of Luke (BZNW 139; Berlin: De Gruyter, 2006) 3447 CrossRefGoogle Scholar.

69 S. Wolter, Lukasevangelium, 92; ferner Schreiber, Weihnachtspolitik, 72.