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Die Sinnlich-Uebersinnliche Bedeutung Der Tonwelt In Hermann Stehrs Erzählungswerk

Published online by Cambridge University Press:  02 December 2020

Erich Hofacker*
Affiliation:
Washington University

Extract

Wie Stehr aus dem schlesischen Heimatdichter ein Künder der deutschen Seele und einer der grössten deutschen Erzähler der Gegenwart geworden ist, haben gerade in den letzten fünf Jahren die Monographien von Werner Milch, Hermann Boeschenstein und Emil Freitag, sowie die zusammenfassenden Aufsätze von Heinz Kindermann R. Petsch und E. Alker zu zeigen versucht. Das Geheimnis des Zaubers, den Stehr auf den feinfühligen Leser ausübt, liegt in der Meisterschaft, mit der er gelernt hat, eine Welt zartester und tiefster Seelenregungen einzubetten in eine äussere erdenhafte Wirklichkeit, die unsere Sinne unmittelbar packt. In dieser Stehrschen Welt werden wir hellsichtiger und hellhöriger. Hinter dem Schleier der physischen Wirklichkeit tritt das Seelenhafte und Uebersinnliche greifbar an uns heran. In den verschiedenen Schaffensperioden des Dichters treten die einzelnen Sinne nicht immer mit gleicher Stärke hervor. Es ist von besonderem Reiz, nachzuerleben, wie eben zu einer Zeit, in der sich bei Stehr ein Gehörleiden entwickelt, die Tonwelt in seinen Werken lebendiger wird und der Gehörsinn zuweilen geradezu eine zentrale Stelle unter den Sinnen einnimmt. Wir denken an die Zeit von 1911 bis 1931, in der seine besten Werke, die Märchen und Romane mit legendenhaftem Einschlag, erschienen sind. Es ist die Zeit von Stehrs religiösem Finden, in der er der alten deutschen Mystik so nahe kommt, die romantische, dionysische Epoche, im Gegensatz zu Stehrs Altersperiode, die wieder mehr apollinisch eingestellt ist.

Type
Research Article
Copyright
Copyright © Modern Language Association of America, 1940

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References

1 Hermann Stehr. Seine dichterische Welt und ihre Probleme (Berlin, 1934).

2 Ibid., Einführung in die Stimmung seines Werkes (Breslau, 1935).

3 Ibid., Gehalt und Gestalt seiner Dichtung. Band I. Weltanschauung (Groningen, 1936).

4 Ibid., Zeitschrift für Deutschkunde (1935), Heft 6.

5 Ibid., Dichtung und Volkstum (1935), Heft 4.

5a Neophilologus, xxv (1940), no. 2.

6 Germanische Studien, Heft 179 (Berlin, 1936).

7 Hermann Stehr, Mein Leben (Berlin, 1934).

8 Boeschenstein, a.a.O., S. 64.

9 Peter Brindeisener, S. 68.

10 Freitag, a.a.O., S. 119 f.

11 Der Heiligenhof i, S. 116. Freitag, a.a.O., zeigt, dass auch andere Gestalten Stehrs in begnadeten Augenblicken die mystische Einheit mit dem Weltall empfinden.

12 Hier wäre das erreicht, was Freitag “die Auflösung der Persönlichkeit ins Anonyme” nennt, die unio mystica, die, wie Freitag zeigt, das Ziel der Stehrschen Mystik bildet. Die Mystik sei aber die Grundlage der ganzen Stehrschen Dichtung.

13 Man beachte hier den Gebrauch der Tonwelt als Symbol.

14 Freitag, a.a.O., S. 278, fasst auch das Naturbild symbolisch: “Die Mondesstrahlen, die in den Teich fallen, sind ihm der Weg zur Mutter, eine Symbolisierung des Hinabstiegs in den Seelengrund, wo die Verstorbene ‘west’.”

15 Worte Dr. Brustats in der Erzählung Der Geist des Vaters, S. 134, in der Novellensammlung Abendrot.

16 Über äusseres und inneres Leben (Rede) (Leipzig 1931).

17 Freitag, a.a.O., S. 238.