Book contents
- Frontmatter
- Acknowledgments
- Contents
- Introduction
- Die angenehme Straf
- Die schöne Krämerin
- Der blonde Eckbert
- Das Erdbeben in Chili
- Unverhofftes Wiedersehen
- Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl
- Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau
- Die Judenbuche: Ein Sittengemälde aus dem Gebirgichten Westfalen
- Bergkristall
- L'Arrabbiata
- Krambambuli
- Bahnwärter Thiel: Novellistische Studie
- Das Erlebnis des Marschalls von Bassompierre
- Der violette Tod
- Das Schiff
- Das Urteil
Das Urteil
Published online by Cambridge University Press: 28 April 2017
- Frontmatter
- Acknowledgments
- Contents
- Introduction
- Die angenehme Straf
- Die schöne Krämerin
- Der blonde Eckbert
- Das Erdbeben in Chili
- Unverhofftes Wiedersehen
- Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl
- Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau
- Die Judenbuche: Ein Sittengemälde aus dem Gebirgichten Westfalen
- Bergkristall
- L'Arrabbiata
- Krambambuli
- Bahnwärter Thiel: Novellistische Studie
- Das Erlebnis des Marschalls von Bassompierre
- Der violette Tod
- Das Schiff
- Das Urteil
Summary
Es war an einem Sonntagvormittag im schönsten Frühjahr. Georg Bendemann, ein junger Kaufmann, saß in seinem Privatzimmer im ersten Stock eines der niedrigen, leichtgebauten Häuser, die entlang des Flusses in einer langen Reihe, fast nur in der Höhe und Färbung unterschieden, sich hinzogen. Er hatte gerade einen Brief an einen sich im Ausland befindenden Jugendfreund beendet, verschloß ihn in spielerischer Langsamkeit und sah dann, den Ellbogen auf den Schreibtisch gestützt, aus dem Fenster auf den Fluß, die Brücke und die Anhöhen am anderen Ufer mit ihrem schwachen Grün.
Er dachte darüber nach, wie dieser Freund, mit seinem Fortkommen zu Hause unzufrieden, vor Jahren schon nach Rußland sich förmlich geflüchtet hatte. Nun betrieb er ein Geschäft in Petersburg, das anfangs sich sehr gut angelassen hatte, seit langem aber schon zu stocken schien, wie der Freund bei seinen immer seltener werdenden Besuchen klagte. So arbeitete er sich in der Fremde nutzlos ab, der fremdartige Vollbart verdeckte nur schlecht das seit den Kinderjahren wohlbekannte Gesicht, dessen gelbe Hautfarbe auf eine sich entwickelnde Krankheit hinzudeuten schien. Wie er erzählte, hatte er keine rechte Verbindung mit der dortigen Kolonie seiner Landsleute, aber auch fast keinen gesellschaftlichen Verkehr mit einheimischen Familien, und richtete sich so für ein endgültiges Junggesellentum ein.
Was wollte man einem solchen Manne schreiben, der sich offenbar verrannt hatte, den man bedauern, dem man aber nicht helfen konnte? Sollte man ihm vielleicht raten, wieder nach Hause zu kommen, seine Existenz hierherzuverlegen, alle die alten freundschaftlichen Beziehungen wiederaufzunehmen — wofür ja kein Hindernis bestand — und im übrigen auf die Hilfe der Freunde zu vertrauen? Das bedeutete aber nichts anderes, als daß man ihm gleichzeitig, je schonender, desto kränkender, sagte, daß seine bisherigen Versuche mißlungen seien, daß er endlich von ihnen ablassen solle, daß er zurückkehren und sich als ein für immer Zurückgekehrter von allen mit großen Augen anstaunen lassen müsse, daß nur seine Freunde etwas verstünden und daß er ein altes Kind sei, das den erfolgreichen, zu Hause gebliebenen Freunden einfach zu folgen habe.
- Type
- Chapter
- Information
- An Anthology of German Novellas , pp. 283 - 294Publisher: Boydell & BrewerPrint publication year: 2003