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“Was Nicht Fremd ist, Findet Befremdlich!” Swinarskis und Brechts Theatertheorien und -praxis

Published online by Cambridge University Press:  09 February 2021

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Summary

Vorbemerkungen zur Mobilität der Kulturen

Mit dem Mitte der 1980er Jahre von Michel Espagne und Michael Werner geprägten Begriff des kulturellen Transfers, kam es zu einer Redefinition komparatistischer Vorgehensweisen. Die im neunzehnten Jahrhundert etablierte und vorwiegend an der vergleichenden Perspektive orientierte Komparatistik wich der Untersuchung diverser Formen des kulturellen Ineinander-Übergehens und der daraus resultierenden Kulturkreuzungen aus. Diese Zugriffe finden ihren Ausdruck in den derzeit breit angewendeten Studien zur Hybridisierung der Kulturen, in transkulturellen Forschungen und im Begriff der kulturellen Mobilität. Geisteswissenschaftler nehmen zusehends Grenzüberschreitungen, Verflechtungen, Mischungen und Durchdringungen unter die Lupe. Die Forderung nach der Berücksichtigung kultureller Vielschichtigkeit setzt die anachronistisch präpotenten Kulturnarrationen wie translatio imperii oder figura theologica außer Kraft, indem sie diese durch die Perspektive der Zufälligkeit, der Mobilität im buchstäblichen Sinne (Greenblatt) und des situierten Wissens (Haraway) ersetzen. Trotz vieler historischer, literatur- und kulturwissenschaftlicher Studien, die alle Wissensansprüche und Wissensubjekte als soziale Konstrukte betrachten oder dem Ansatz der kulturellen Mobilität verpflichtet sind, ist es schwer sich des Eindrucks zu erwehren, dass die alten Muster sich noch einigermaßen halten, ohne an Geltung wesentlich eingebüßt zu haben. Es ist zwar vor allem in gängigen Überzeugungen und weniger im akademischen Diskurs sichtbar, dennoch kann es erstaunen, wenn beispielsweise Schriftsteller, die in einer Fremdsprache literarisch qualitative Texte herstellen, in der Umgangssprache wie in populären Medien und wissenschaftlichen Diskursen mit dem Attribut “Schriftsteller mit Migrationshintergrund” bezeichnet werden. Das Nationale stellt nach wie vor eine gültige Kategorie dar. Umso relevanter scheint es, der Durchdringung von kulturellen Praxen jener Künstler nachzugehen, die in Zeiten wirkten, in denen kulturelle Mobilität wie transkulturelle Studien keine theoretische Fundierung hatten. Ziel dieses Textes ist die Kontextualisierung der Wechselbeziehung zwischen den Theatermenschen Bertolt Brecht und Konrad Swinarski, die in der Saison 1955/56 eine praktische Zusammenarbeit am Berliner Ensemble verband. Hierzu soll die Fremdheitsauffassung und -erfahrung beider Künstler für die Ausarbeitung ihrer Werke rekonstruiert und analysiert werden.

Brecht in Polen

Der Kulturaustausch zwischen der Volksrepublik Polen und der DDR, in der sich Brecht nach seiner fünfzehnjährigen Exilzeit niederließ, war größtenteils politisch fundiert, wobei die alten Ressentiments aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs immer noch präsent waren.

Type
Chapter
Information
Publisher: Boydell & Brewer
Print publication year: 2020

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