1.1. Keine menschliche Gemeinschaft kommt ohne ein Ethos aus, das denen, die ihr angehören, ‘mit dem Anspruch von Verbindlich-keit gegeniübertritt’.2 Dies hat seinen Grund darin, daß es aller-erst das gemeinsame Ethos ist, in dem sich die Identität einer Gemeinschaft objektiviert und in dem sie lebensweltlich – nämlich als soziale Identität – wahrnehmbar wird. In diesem Sinne stiftet ein Ethos soziale Kohäsion, denn es bestätigt den einzelnen die Zugehörigkeit zur überindividuellen Gemeinschaft. Mit W. Kluxen kann man darum sagen, daβ die ‘Sozialität’ einer Gemeinschaft ‘im Handeln verwirklicht wird’.3 Dies impliziert, daβ ein Ethos niemals um seiner selbst willen existiert, sondern immer Ver-weisfunktion hat: Es weist über sich selbst hinaus, denn ihm kommt die wichtige Aufgabe zu, die gemeinsame überindividuelle Identität unverwechselbar zu repräsentieren. – Dies gilt selbst-verständlich auch für christliche Gemeinschaften, und darum möchte ich im folgenden danach fragen, wie sich diese Korrelation in den paulinischen Gemeinden und bei Paulus selbst darstellt.4